Beschluss zur A49

Beschluss der Lan­des­mit­glie­der­ver­samm­lung am 24.10.2020

  1. Wir GRÜNEN in Hes­sen haben in den letz­ten Jah­ren auf allen Ebe­nen gemein­sam gegen den Bau der Bun­des­au­to­bahn 49 gekämpft. Ins­be­son­de­re unse­re ört­li­chen Kreis- und Orts­ver­bän­de mit ihren vie­len enga­gier­ten Mit­glie­dern haben hier­an einen gro­ßen Anteil. Umso mehr schmerzt es uns, dass nun der Bau des letz­ten Abschnit­tes durch die Räu­mung des Maul­ba­cher Wal­des und des Her­ren­wal­des ver­bun­den mit der Rodung der Tras­se begon­nen hat.
  2. Wir GRÜNEN in Hes­sen hal­ten den Bau der Bun­des­au­to­bahn 49 auch wei­ter­hin für falsch und expli­zit im Wider­spruch zu unse­ren Vor­stel­lun­gen einer öko­lo­gi­schen und kli­ma­freund­li­chen Ver­kehrs­wen­de. Wir unter­stüt­zen daher auch den Kampf unse­rer Hes­si­schen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten, die im Bun­des­tag ein Mora­to­ri­um zum Bau der BAB 49 bean­tragt haben. Lei­der wur­de die­ses von einer Mehr­heit des Bun­des­tags abge­lehnt, teil­wei­se unter höh­ni­schen Kom­men­ta­ren der ande­ren Frak­tio­nen, was uns umso mehr zeigt, dass es im Kampf für die Ver­kehrs­wen­de wei­test­ge­hend auf uns und unse­re Stär­ke ankom­men wird.Die Lan­des­mit­glie­der­ver­samm­lung der hes­si­schen GRÜNEN bekräf­tigt den Antrag unse­rer Bun­des­tags­frak­ti­on: Wir for­dern die Bun­des­re­gie­rung dazu auf, einen sofor­ti­gen Stopp der für den Wei­ter­bau der A49 statt­fin­den­den Rodungs­ar­bei­ten zu ver­an­las­sen. Mit dem Aus­set­zen der Rodun­gen soll ein Zeit­fens­ter geschaf­fen wer­den, in dem einer­seits mög­li­che Ände­run­gen im Tras­sen­ver­lauf und in der Aus­ge­stal­tung der A49 geprüft wer­den kön­nen und in dem ande­rer­seits drin­gend not­wen­di­ge ver­mit­teln­de Gesprä­che mit den von der Auto­bahn betrof­fe­nen Anwohner*innen statt­fin­den können.
  3. Wir begrü­ßen aus­drück­lich den fried­li­chen Pro­test der Men­schen im Wald, der NGOs, Bürger*inneninitiativen und auch von Fri­days for Future gegen den Neu­bau von Auto­bah­nen. Sie machen klar, dass es ein Umden­ken in der Ver­kehrs­po­li­tik braucht und es ein Wei­ter-So nicht geben darf. Unser gemein­sa­mes Ziel ist es, in den kom­men­den Jah­ren Auto­bahn­pro­jek­te zu über­prü­fen und sie anhand der Kli­ma­zie­le und des Umwelt- und Natur­schut­zes neu zu bewer­ten. Dabei sind die För­de­rung der Schie­ne, des ÖPNVs und des Rad­ver­kehrs dem moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al- und Last­ver­kehr vorzuziehen.
  4. Der Wei­ter­bau der Bun­des­au­to­bahn 49 stand bereits 2008 bei der dann geschei­ter­ten rot-grü­nen Koali­ti­on unter Tole­rie­rung der LINKEN als Bedin­gung der SPD für eine Zusam­men­ar­beit im Koali­ti­ons­ver­trag. Ähn­li­che Pas­sa­gen sind auch in den Koali­ti­ons­ver­trä­gen 2013 und 2018, hier jeweils als Bedin­gung der CDU. Das haben wir in den Ver­hand­lun­gen akzep­tiert, denn wir waren und sind der Ansicht, dass die bun­des­po­li­ti­sche Ent­schei­dung für oder gegen eine Auto­bahn nicht dazu füh­ren darf, dass wir auf Lan­des­ebe­ne kei­ne Koali­tio­nen mehr ein­ge­hen kön­nen. Ins­be­son­de­re 2013 hat­ten wir, auch for­mu­liert in unse­rem Wahl­pro­gramm, noch die Hoff­nung, dass das Pro­jekt im Bund an der Finan­zie­rung schei­tert. Lei­der ist es anders gekom­men: Die gro­ße Koali­ti­on aus CDU/CSU und SPD hat durch ihren Beschluss über die her­vor­ge­ho­be­ne Stel­lung des Pro­jekts im Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan und die Frei­ga­be der Mit­tel durch den Haus­halts­aus­schuss des Bun­des­tags die Finan­zie­rung auf Bun­des­ebe­ne geklärt. Das Land wur­de mit dem Wei­ter­bau beauftragt.
  5. Wir GRÜNE hal­ten nicht nur den Wei­ter­bau der BAB 49 für falsch. Wir hal­ten auch die Finan­zie­rung des Bun­des für unver­ant­wort­lich: Denn CDU/CSU und SPD haben durch die Finan­zie­rung als öffent­li­che-pri­va­te-Part­ner­schaft (ÖPP-Pro­jekt) dafür gesorgt, dass der Bund beim Nicht-Bau der Auto­bahn pri­va­ten Inves­to­ren sogar noch Scha­dens­er­satz zah­len muss. Das erin­nert fatal an die teu­ren poli­ti­schen Fest­le­gun­gen, die die Ver­kehrs­mi­nis­ter Dob­rindt und Scheu­er den Steuerzahler*innen schon bei der PKW-Maut hin­ter­las­sen haben. Wir for­dern an die­ser Stel­le die Offen­le­gung der ÖPP-Ver­trä­ge, um Trans­pa­renz herzustellen.
  6. In Abwä­gung mit zahl­rei­chen zen­tra­len GRÜNEN ver­kehrs­po­li­ti­schen und kli­ma­freund­li­chen Pro­jek­ten haben wir uns als Bünd­nis 90/ DIE GRÜNEN Hes­sen mit gro­ßer Mehr­heit auf Lan­des­mit­glie­der­ver­samm­lun­gen 2008, 2013 und 2018 für die Annah­me der Koali­ti­ons­ver­trä­ge ent­schie­den. Wir haben damit eine bun­des­po­li­ti­sche Ent­schei­dung akzep­tiert, die wir im Land nicht ändern konn­ten. Dafür haben wir auf Lan­des­ebe­ne viel für die Ver­kehrs­wen­de ver­ein­bart, was es sonst nie gege­ben hät­te, unter ande­rem nach­fol­gen­de fünf Punk­te:
    a) Für die nächs­ten Jah­re sol­len in Hes­sen ca. 20 Mil­li­ar­den Euro für Schie­nen­pro­jek­te inves­tiert wer­den. (vor allem für die Inves­ti­ti­ons­pro­gram­me Rhein Main plus und S‑Bahn plus incl. der ICE-Neu­bau­stre­cken Frank­furt-Ful­da und Frank­furt-Mann­heim, die durch das maß­geb­li­che Enga­ge­ment des Hes­si­schen Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums vor­an­ge­bracht wer­den)
    b) Die drei hes­si­schen Ver­kehrs­ver­bün­de erhal­ten bis 2021 im Ver­gleich zur letz­ten Finan­zie­rungs­pe­ri­ode 24 Pro­zent mehr Mit­tel und wei­ten ihr Ange­bot seit Jah­ren aus. Zudem wur­den die Ver­kehrs­ver­bün­de umfang­reich in der Coro­na-Pan­de­mie unter­stützt.
    c) Hes­sen­weit gül­ti­ge, bezahl­ba­re 365-Euro-Tickets mit Flat­rate-Cha­rak­ter sol­len wei­ter aus­ge­baut wer­den. Aktu­ell gibt es das Schüler*innenticket, das Senior*innenticket sowie als Job­ti­cket das Lan­des­ti­cket für die Beschäf­tig­ten des Lan­des Hes­sen. So haben gemein­sam mit den Semestertickethalter*innen fast die Hälf­te aller Hess*innen Zugriff auf ein sol­ches Ticket. Hier schla­gen wir eine ein­heit­li­che Anglei­chung der Semes­ter­ti­ckets an das 365-Euro-Ticket vor. Momen­tan fin­den Gesprä­che über das Kom­mu­nal­ti­cket für die Beschäf­tig­ten der Kom­mu­nen statt und wir wol­len die­sen Weg in Rich­tung unse­rer gro­ßen Visi­on Bürger*innenticket Schritt für Schritt wei­ter­ge­hen.
    d) Für uns gilt im Stra­ßen­bau der Grund­satz „Erhalt vor Neu­bau“. Die Sanie­rungs­quo­te bei den Aus­ga­ben im Lan­des­stra­ßen­bau beträgt inzwi­schen 90%.
    e) Hes­sen wird fahr­rad­freund­li­cher. Wir inves­tie­ren zusätz­li­ches Geld in Rad­we­ge an Lan­des­stra­ßen (Ziel­wert 17 Mio. Euro), haben die Zuschüs­se für Rad­we­ge in den Kom­mu­nen deut­lich erhöht und nach unse­rer Reform von Hes­sen Mobil wird dort erst­mals in der Geschich­te eigen­stän­di­ge Exper­ti­se für den Rad­ver­kehr angesiedelt.
  7. Die Pro­tes­te gegen den Bau der Bun­des­au­to­bahn 49 müs­sen fried­lich und unein­ge­schränkt auf Grund­la­ge des Demons­tra­ti­ons­rech­tes mög­lich sein. Gewalt gegen Men­schen und gegen pri­va­tes und öffent­li­ches Eigen­tum leh­nen wir als GRÜNE Hes­sen ab. Aller­dings spre­chen wir uns auch gegen eine Kri­mi­na­li­sie­rung des fried­li­chen Pro­tests aus. Der Zugang zum Wald muss sowohl für die Pres­se als auch die par­la­men­ta­ri­sche Beob­ach­tung aller Par­tei­en unein­ge­schränkt mög­lich sein, wenn dies mit der Sicher­heit aller Betei­lig­ter zu ver­ein­ba­ren ist. Wir begrü­ßen auch das umfang­rei­che Enga­ge­ment unse­rer GRÜNEN MdL, MdB und MdEP als par­la­men­ta­ri­sche Beobachter*innen, wel­ches zur guten Kom­mu­ni­ka­ti­on und Dees­ka­la­ti­on bei­getra­gen hat.
  8. Für uns ist klar: Die alten Beschlüs­se pas­sen nicht mehr zur heu­ti­gen Rea­li­tät und müs­sen des­halb auf Bun­des­ebe­ne auf den Prüf­stand. Es gilt der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit: Gemein­sam mit unse­rer Bun­des­tags­frak­ti­on haben wir die Bun­des­re­gie­rung auf­ge­for­dert, auf­grund der Kli­ma­kri­se den alten Pla­nungs­di­no­sau­ri­er A49 neu zu bewer­ten. Der Gesund­heits­schutz aller Men­schen, ins­be­son­de­re der unse­rer Polizeibeamt*innen ist dabei in Zei­ten eines rasant anstei­gen­den Infek­ti­ons­ri­si­kos von hoher Bedeu­tung für uns. Die Sor­gen der Polizeibeamt*innen zu dem Ein­satz neh­men wir ernst. Der Bund als Bau­herr soll­te sich fra­gen, ob es ange­sichts eines der­zeit rasant stei­gen­den Infek­ti­ons­ri­si­kos durch Coro­na ver­hält­nis­mä­ßig ist, auf dem Wei­ter­bau der Auto­bahn und dem damit ver­bun­de­nen Ein­satz von hun­der­ten Polizist*innen aus dem gesam­ten Bun­des­ge­biet zu bestehen. Aus unse­rer Sicht bedarf es auch einer Neu­be­wer­tung des Wei­ter­baus der A49.
  9. Wir GRÜNEN Hes­sen woll­ten den Bau der Bun­des­au­to­bahn 49 nie. Aller­dings muss­ten wir in der Ver­gan­gen­heit fest­stel­len, dass ins­be­son­de­re CDU, SPD und FDP in Hes­sen das Pro­jekt vor­an­ge­trie­ben haben und ohne unse­re Regie­rungs­be­tei­li­gung unter schwarz-gelb 2012 der Plan­fest­stel­lungs­be­schuss über den Bau des vier­ten und letz­ten Bau­ab­schnit­tes erlas­sen wur­de. Wir und ande­re haben seit Jah­ren Alter­na­ti­ven zur Ertüch­ti­gung des Stra­ßen­net­zes ohne Bau einer neu­en Auto­bahn ange­regt. Die­ses Enga­ge­ment hat eine Tra­di­ti­on seit 1999, als CDU und FDP ver­spro­chen haben, die A 49 fer­tig zu bau­en.
    Auf Bun­des­ebe­ne wur­de der Wei­ter­bau mit dem aktu­el­len Bedarfs­plan für die Bun­des­fern­stra­ßen von der gro­ßen Koali­ti­on aus CDU/CSU und SPD im Bun­des­tag im Dezem­ber 2016 beschlos­sen, dann von der Bun­des­re­gie­rung unter Ver­kehrs­mi­nis­ter Alex­an­der Dob­rindt (CSU) in Auf­trag gege­ben und das Bau­recht 2014 und erneut 2020 vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt bestä­tigt. Aktu­ell ist wei­ter­hin das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um, mitt­ler­wei­le unter Andre­as Scheu­er, der Bau­herr des Pro­jek­tes. Es ist fest­zu­stel­len, dass sowohl CDU, CSU, SPD als auch FDP im Bun­des­tag für das Pro­jekt gekämpft und auch immer wie­der dafür gestimmt haben. Wir haben an die­ser Stel­le lei­der den Kampf für eine kli­ma­freund­li­che Ver­kehrs­wen­de bis­her nicht gewin­nen kön­nen. Unab­hän­gig davon, was die Lan­des­re­gie­rung recht­lich tun kann, posi­tio­nie­ren sich die Grü­nen daher in Hes­sen klar: Wir sind gegen den Wei­ter­bau der A49. Es gab und gibt umwelt­ver­träg­li­che­re Lösun­gen, um die Ver­kehrs­pro­ble­me der Regi­on auch ohne Auto­bahn zu lösen (z.B. Plan­fall 2 SSP Con­sult 2009). Für die­se wer­den wir uns wei­ter einsetzen.
  10. Der Bau der Bun­des­au­to­bahn 49 zeigt uns eines sehr deut­lich: Nur mit uns GRÜNEN wird es einen wirk­li­chen Kampf für die Ver­kehrs­wen­de, gegen den Kli­ma­wan­del und für einen umfang­rei­chen Natur- und Umwelt­schutz geben. Immer wie­der müs­sen wir in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung in Hes­sen fest­stel­len, dass wir als Teil der Lan­des­re­gie­rung unsin­ni­ge und vor allem kli­ma­schäd­li­che Pro­jek­te, die dem Beton-Zeit­al­ter ange­hö­ren, umset­zen müs­sen oder aber an wirk­li­chem Kli­ma­schutz, bei­spiels­wei­se im Bereich der Ener­gie- und Ver­kehrs­wen­de, gehin­dert wer­den, weil es den Vor­ga­ben einer rück­wärts­ge­wand­ten Bun­des­re­gie­rung ent­spricht. Uns GRÜNEN in Hes­sen ist klar: Es braucht end­lich auch auf Bun­des­ebe­ne eine*n GRÜNEN Verkehrsminister*in, der*die eine Neu­be­wer­tung zen­tra­ler Ver­kehrs­pro­jek­te vor­nimmt, und prüft, ob die­se kli­ma­freund­lich sind und im Ein­klang mit Umwelt- und Natur­schutz ste­hen. Die Auto­bahn- und Stra­ßen-fixier­te Ver­kehrs­po­li­tik muss ein Ende haben. Und es braucht end­lich eine Bun­des­re­gie­rung unter GRÜNER Betei­li­gung, die die sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on der Gesell­schaft auch tat­säch­lich umsetzt.
  11. Soge­nann­te Alter­na­ti­ven für einen Auto­bahn­bau dür­fen nicht wie bis­her nur ande­re Auto­bahn­va­ri­an­ten sein. Das ist die Rege­lung des bis 2030 gül­ti­gen Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans. Auch die Prü­fung ech­ter Alter­na­ti­ven (ande­re ver­kehr­li­che Lösun­gen) muss zukünf­tig mög­lich sein. Die hes­si­schen Grü­nen for­dern des­halb alle Par­tei­en auf Bun­des­ebe­ne auf, bald­mög­lichst für eine ent­spre­chen­de gesetz­li­che Rege­lun­gen einzutreten.

Dazu auch: Bericht der Hes­sen­schau Grü­ne strei­ten hef­tig über A49-Ausbau