Gelungene Veranstaltung zu Biodiversität in Dehrn 20. Juni 202320. Juni 2023 Blühflächen, Wegeränder, Insekten und die Rolle der Landwirtschaft, all das wurde leidenschaftlich diskutiert bei der Podiumsdiskussion, zu der der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen nach Dehrn eingeladen hatte. Der Kreisbauernverband war mit seinem Vorsitzenden Marco Hepp und Rolf Radu vertreten, für die Grüne Landtagsfraktion war Hans-Jürgen Müller, einziger Landwirt im Hessischen Parlament, aus Wiesbaden angereist. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Umweltverbände sowie viele Interessierte füllten das Bürgerhaus an der Lahn. „Der Erhalt der Biodiversität braucht den Einsatz aller und deswegen dürfen wir nicht aufhören miteinander zu sprechen, auch und gerade dann, wenn es schwierig wird,“ sagte Anke Föh-Harshman, die den Abend moderierte. Die Kreistagsabgeordnete plädierte dafür, verhärtete Fronten aufzubrechen und gemeinsam an konstruktiven Lösungen zu arbeiten. „Lösungen können nur gemeinsam gefunden werden, wenn wir wollen, dass sie am Ende auch umgesetzt werden.“ Marco Hepp betonte die grundsätzliche Bereitschaft der Landwirte im Kreis, sich der Verantwortung für zukünftige Generationen zu stellen. Er warb jedoch um Verständnis für die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Betriebe und forderte die Bevölkerung auf, die Bemühungen der Landwirte um mehr Nachhaltigkeit wertzuschätzen. Die meisten seiner Kollegen legten bereits Blühstreifen an, reduzierten Pestizid- und Herbizideinsätze. Zudem gebe es das Phänomen der riesigen Ställe im Landkreis Limburg-Weilburg nicht. Immer größere Flächenverluste machten den Landwirten das Leben nicht leichter. Der frühere Vorsitzende von Bioland Deutschland und jetzige Grünen-Abgeordnete, Hans-Jürgen Müller, sprang seinem Kollegen bei und erläuterte, dass täglich 60 Hektar Land aus der Nutzung für Nahrungsmittelproduktion herausfielen, für Straßen, Häuser und Gewerbe. Das erhöhe den wirtschaftlichen Druck erheblich. Dieser Prozess trage zum Verlust von Biodiversität bei. Die Verbraucherinnen und Verbraucher nahm Rolf Radu, der in Weilmünster mit seiner Familie einen Demeter-Betrieb führt, mit in die Verantwortung. Viele wollten regionale und nachhaltig produzierte Nahrungsmittel, kauften dann aber Billigware aus dem Ausland. Das sei für viele Kollegen ein Problem und führte dazu, dass einige es sich zwei Mal überlegten, auf Bio umzustellen. Seine Felder und Wiesen in Ernsthausen seien bunt, sein Betrieb sei ein Beispiel für funktionierende Kreislaufwirtschaft. Vertreter der Umweltverbände forderten deutlichere Schritte vonseiten der Landwirte und verwiesen auf ausgeräumte Feldflure, die zu fehlendem Nahrungsangebot für Insekten, Igel und Vögel führe. Es müssten bessere Vernetzungen von Blühbiotopen geschaffen werden, beispielsweise durch Pflanzung von Vogelschutzhecken und den Verzicht auf Mulchen, was zur Vernichtung von Kleinstlebewesen führe. Müller verwies auf die Bedeutung von Neonikotinoiden und anderen Pestiziden, die die Insektenpopulationen nachhaltig schwächten und über die Jahre hinweg nachweislich zum Artenschwund beigetragen hätten. Zudem warnte er vor einer Gesetzesvorlage zur „neuen Gentechnik“, die demnächst im EU-Parlament eingebracht werde. Für Verbraucher falle die Kennzeichnungspflicht weg und für die Landwirte entstünden neue Abhängigkeiten von den vier großen Agrochemie-Unternehmen, die die Märkte weltweit beherrschten. Müller warnte, dass „die Nutznießer dieses Gesetzesvorhabens „definitiv nicht die Landwirte“ seien. Auch der frühere Leiter des Amtes für ländlichen Raum und Umwelt, Karl Eckart Maskus, warnte vor der zunehmenden Globalisierung bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln und betonte, dass nur durch nachhaltige und regionale Wertschöpfungsketten diesem Prozess entgegengewirkt werden könne. Auf die Bedeutung von privaten Gärten für den Erhalt der Biodiversität verwies eine Teilnehmerin. Sie plädierte für mehr Mut zur Natur und zu einem Umdenken bei der Auswahl von Pflanzen hin zu Wildgehölzen und standorttypischen Wildkräutern. „Die Veranstaltung macht deutlich, wie groß das Bedürfnis ist, sich auszutauschen und unterschiedliche Positionen zu verstehen“, so Föh-Harshman. „Wir wollen auch zukünftig Räume der Konstruktivität schaffen.“